Er ist ein geschichtsträchtiger Cocktail, die spontane Idee eines geheimnisumwobenen Grafen, die konsequente Vervollkommnung eines ebenfalls sehr populären Vorgängercocktails Americano: der Negroni.
Rund um den smarten italienischen Conte Camillo Luigi Manfredo Negroni und den Ursprung des belebenden, gerührten Drinks mit der genialen Rezeptur aus den drei Komponenten Gin, roter Wermut und Bitterlikör ranken sich zahlreiche belegte und unbelegte Geschichten. Während die Negronischen Nachkommen Hector Andres und Noel Xavier im Familienarchiv bislang keine schlüssigen Beweise für die reale Existenz von Conte Camillo fanden, ranken sich um dessen Leben viele detailreiche Geschichten. Genau diese Details beschreiben interessanterweise das Leben eines anderen Negronis mit den klangvollen Vornamen Pascal Olivier, der von 1829 bis 1913 lebte. Das Jahr seines Ablebens wiederum würde direkten Einfluss auf das Geburtsjahr des Cocktails haben, das bis dato mit 1919 beziffert wird. Ein profunder Kenner der belegten und unbelegten Geschichten ist der Barkeeper und Autor Luca Picchi aus Florenz, der die Negroni-Geschichte bereits in zwei Büchern und einer Fernsehdoku für die RAI aufbereitet hat. Luca Picchi kooperiert mit dem amerikanischen Erfolgsautor David Wondrich, dem amerikanischen Herrn und Meister im bunten Universum der Trinkkultur und Autor von „Imbibe!“. Im gleichnamigen Magazin und im Buch spielt der Cocktail aus Florenz eine wichtige Rolle.
Sei es drum: Uns Heutigen wird der Zauberdrink aus Gin, Wermut und Bitterlikör rund um den Globus serviert. Als bittersüße, gut gekühlte Spezialität ist er auf allen Barkarten präsent und hat sich in seiner hundertjährigen Geschichte prächtig entwickelt. Eine Reihe renommierter Barkeeper und Barmaids fügten über die Jahre der ursprünglichen und eigentlich schon perfekten Rezeptur weitere Nuancen hinzu.
Was bei den freundlichen Gastgebern hinter dem Tresen zur Grundausstattung, gehört, muss sich der Hobby-Barkeeper möglicherweise erst einmal beschaffen. Das ist kein Hexenwerk, denn es handelt sich um diese drei prominenten Zutaten zum Negroni Rezept:
Als Standard für das klassische Negroni Rezept empfehlen die Profis von der Internationale Bartender Assoziation ein Mischungsverhältnis von 1:1:1. Das Maß pro Zutat beträgt drei Zentiliter also 3 cl. Wer dieser Mengenempfehlung folgt, bekommt als Resultat einen Drink mit 27 bis 30 Vol.-% Alkohol, vorausgesetzt der Gin startet mit 40 %Vol. in das Rennen.
Rührglas, Barsieb, Barmaß, Barlöffel, Servierglas, Eiswürfel, Zestenreißer oder Barmesser für die unbehandelte Orangenzeste
Schütteln nicht erwünscht! Die Zutaten werden sanft aber ausdauernd (idealerweise für 30 Sekunden) zusammen mit Eiswürfeln im Rührglas verrührt. Anschließend wird der Cocktail über das Barsieb in das gekühlte und mit frischen Eiswürfeln ausgestattete Servierglas gegeben. Mehrere kleine Eiswürfel können durch einen großen ersetzt werden, der aufgrund seines Volumens langsamer schmilzt.
Apropos Barlöffel: Die Barhistorie weiß zu berichten von einem Bartender, der eine große Menge an Negronis praktischerweise direkt in den Tumblern mit seinen Fingern rührte. Das kann man nur aufgrund der außergewöhnlichen Umstände mit hochgezogenen Augenbrauen dulden.
Für diesen Cocktail kommen drei Glasformen infrage, die aus Gründen der Genussoptimierung stets sehr gut gekühlt sein sollten:
Der gläserne Tumbler ist ein Becherglas mit geraden Wänden und einem standfesten Boden, der massiver ausfällt als der filigrane Zylinder des Bechers. Beim Old fashioned Glass handelt es sich ebenfalls um eine Becherglas mit einem deutlich massiveren Boden. Zudem ist der Verlauf der Becherwände von oben nach unten schmaler. Das Fassungsvermögen der zwei Bechergläser beträgt rund 200 ml. Die Coupette ist eine elegante Champagnerschale mit schlankem Stiel. Bekanntermaßen greift man die Coupette am Stiel und verhindert so die allzu schnelle Eiswürfelschmelze und den Temperaturanstieg im Glas. Das Fassungsvermögen einer Coupette liegt bei rund 300 ml.
Die außergewöhnliche Harmonie der Negroni Dreifaltigkeit basiert auf erstklassigem Gin, rotem, italienischen Wermut und dem Bitterlikör Campari. Sie bilden ein unvergleichlich Trio voll bitterer Süße und würziger Leichtigkeit.
Dabei lautet der Anspruch an den Gin: kräftig-würzig mit eindeutiger Wacholdernote. Florale Nuancen sind ebenso gern gesehen wie mediterrane Kräuternoten von Thymian, Lorbeer und Pfeffer. Der beim Gin präsente, exotische Hauch von Koriander ist ebenso willkommen wie alle Zitrusaromen von Kumquat, Bitterorangen, Bergamotten, Grapefruit, Limette und vollreifen Zitronen, die im Idealfall von der italienischen Amalfiküste stammen.
Bei der zweiten Zutat geht es um die raffinierte Erfindung eines gewissen Signor Carpano aus Turin. Der erschuf aus Weißwein, Neutralalkohol und rund 30 mazierierten Kräutern, darunter das hoch würzige Wermutkraut, den legendären italienischen roten Wermut. Der Alkoholgehalt des Wermuts ist mittlerweile strikt geregelt und darf zwischen 14,5 Vol.-% und maximal 21,9 Vol.-% variieren. Wer beim Wermutkraut an Absinth denkt liegt goldrichtig. Auch Absinth setzt auf den Geschmack des starken Wermutkrauts. Allerdings liegt der Mindestalkoholwert der „Grünen Fee“ bei knackigen 45 %, was den Absinth stark vom italienischen Wermut unterscheidet.
Die dritte Zutat im Negroni Trio ist von unvergleichlicher Ausstrahlung: Campari. Der Bitterlikör aus Milano spielt seit 2011 in der Topliga der weltweiten Spirituosenmarken. Er bringt es auf 25 Vol.-% Alkohol und 80 Zutaten. Die Originalrezeptur ist wie immer unter Verschluss. Das gilt allerdings nur teilweise. Denn die für Deuschland aktuell zugelassene Rezeptur wurde modifiziert und verzichtet gänzlich auf tierische Stoffe, was den Bitterlikör süßer und bitterer macht. Kenner bemängeln an dieser Version den Verlust von Komplexität. Dem Negroni Cocktail widmet Campari die alljährliche Negroni Woche, wobei die internationale Barkeeperschar immer wieder neue Varianten präsentiert und gleichzeitig der zeitlosen Rezeptur aus Gin, Wermut und Campari huldigt.
Das Negroni Rezept steht für sich allein und entzieht sich allzu heftigen Variationsambitionen. Als cleaner, perfekter Drink aus Gin, Wermut und Campari duldet er Veränderungen nur in Nuancen. Erfolgreich können dabei drei Wege sein:
Beim Check internationaler Barkarten finden sich Varianten, bei denen der rote Wermut aus Turin durch einen dunkleren und sehr würzigen Wermut aus dem Piemont ersetzt werden. Der Gin im Negroni Rezept sollte die bereits geschilderten Talente besitzen und möglichst auf dramatische Noten verzichten. Es geht um die Wahrung der Harmonie. Harzige, dominante Noten sind auszuschließen und allzu hochprozentige Sorten sind mit Vorsicht zu dosieren, denn sie bringen das ausgewogene Mischungsverhältnis garantiert ins Wanken. Ob der Austausch von Campari gegen Aperol eine wirklich gute Variante darstellt, wird meist heftig diskutiert. Auch ein Negroni Rezept mit erweiterter Bitternote, Sake oder Pfirsichsorbet kann für Diskussionsstoff sorgen und trotzdem gut ankommen.
So wie Gin auf immer und ewig im G&T mit Tonic verbunden ist, bilden im Cocktail Americano Campari und roter Wermut eine untrennbare Einheit, die lediglich von einem Spritzer Sodawasser ergänzt wird. Ebenso verhält es sich beim Cocktail des Grafen Camillo. Noch einmal zurück zu ihm: Es wird berichtet, dass er pro Tag 20 Drinks dieser Bauart konsumierte. In einem weiteren Bericht war gar von 40 Stück die Rede. Anzunehmen ist, dass damals die Rezeptur weitaus geringere Mengen an Gin, Wermut und Bitterlikör enthielt.